Rubriken: Geistliche Texte
Fr. 15. Januar 2021 | Allgemein, Geistliche Texte, Jahreslosung
„Jesus Christus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“
Lukasevangelium, Kapitel 6,36
Liebe Leserin, lieber Leser,
nichts ist wohl schöner und beglückender, als in großer eigener Notlage zu erleben, dass Menschen einem uneigennützig beistehen, helfen, die Sorgen lindern, ja, einfach nur barmherzig sind. Diese Präsenz, manchmal ganz still und ohne Worte, ist dann ein wahrer Segen. Nicht selten sind es z. B. die Großmütter und Großväter, die sich mit friedvollem Gemüt, großem Langmut und liebevollem Herzen den eigenen Enkelkindern annehmen und Ihnen in Zeiten der Auseinandersetzung mit dem Leben zur Seite stehen.
Nichts geht mehr zu Herzen, als die Zuneigung und Hilfestellung anderer, vor allem dann, wenn es fremde Menschen sind, die sich einem zuwenden und einfach da sind, zur richtigen Zeit und im richtigen Moment. Ich habe vor vielen Jahren einen solchen wunderbaren Menschen kennenlernen dürfen. Ich nenne sie heute den Engel vom Niederdorf. So heißt der Altstadtkern von Zürich. Sie ist an die 70 Jahre alt, hat flinke blaue Augen, weißes langes Haar und einen wachen Verstand. Das Herz an der richtigen Stelle und immer eine offene Tür in ihrer großen Wohnung im mittelalterlichen Altstadtkern der Schweizer Metropole.
Alle kommen zu ihr: Reiche und Arme, Geflüchtete und die ohne Papiere, Müde und vom Leben zerstörte, Musikerinnen und Studenten, Wissenschaftlerinnen und Kinder aus der Nachbarschaft. Verwirrte und Spinner, Traumtänzer und Künstlerinnen …
Der Engel vom Niederdorf gibt was sie brauchen: Schlafraum, Wohnraum, Denkraum, Weinraum, Lachraum, Hoffnungsraum und eine schlichte Küche mit einem Tisch der durchbetet, durchlacht, durchweint und was auch immer ist, wo niemals der Tee ausgeht, Kuchen gebacken wird und Leben sich ereignet. Kurzum, sie schenkt und sie lebt für andere und ich nenne das Barmherzigkeit im Sinne Jesu.
Einmal kamen Rosen aus dem Norden zu ihr in die Küche und dann verdeckten sie die rote Postkarte, auf der dieses andere schöne und wesentliche Wort steht:
GELASSENHEIT.

Es ist kein Eigennutz, keine „Barmhirnigkeit“, wie meine Kollegin im Kompetenzzentrum Bildung, Schwester Gunhild, es erfrischend formulierte, die berechnet und abwägt und nach dem Vorteil schaut. Nein, da ist ein Mensch, den Sie, liebe Leserin, lieber Leser nicht persönlich kennen, der aber das in sich mit tiefer Lebenserfahrung als Sozialpädagogin vereint, was in uns allen steckt: Ein Herz, das zum Erbarmen fähig ist.
Eine Charaktereigenschaft die Gott uns zutraut, weil er sie uns geschenkt hat.
Barmherzigkeit zu leben, bedeutet vielleicht auch dem Menschen im Angesicht Gottes gerecht zu werden. Es ist eine gesunde ausbalancierte Einseitigkeit, die uns zu dem macht was wir sind, geliebte Menschen Gottes.
Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie bedarf es mehr denn je dieser besonderen Eigenschaft von uns, die Hoffnung wachsen lässt und Menschen aufrichtet.
Jesus ermuntert uns etwas zu tun, was Gott ebenfalls tut. Das ist mutig. Das ist erfrischend. Wir dürfen sein wie Gott, mit Herzblut dabei sein, wenn es um das gelingende Leben für andere und uns geht.
Die Rückbindung an Gottes Handeln ist dabei bis heute wichtig für uns Christinnen und Christen, wenn es darum geht so zu leben, wie Jesus es vorschlägt. Dadurch entgehen wir der Gefahr, uns selbst zum Zentrum zu machen.
Ich wünsche Ihnen, wo immer Sie leben und lieben, arbeiten und ruhen, die Fähigkeit zur Barmherzigkeit im Geiste Gottes, denn dadurch werden wir zu Menschen, denen die Liebe, die Freude und der Segen wie ein leuchtender Schatten nachfolgt, zur Freude aller.
Ich wünschen Ihnen gute Gedanken, gesegnete Wochen und Monate im neuen Jahr und die Gewissheit, dass Gott mit uns geht.
Es grüßt Sie herzlich, Pfarrer Johannes Lehnert

Und sollten Sie einmal in Zürich spazieren gehen und einer freudig strahlenden Frau mit weißem Haar, so um die 70 Jahre herum in der Altstadt begegnen, dann haben Sie vermutlich den Engel vom Niederdorf getroffen.
Mo. 4. Januar 2021 | Allgemein, Geistliche Texte
Liebe Leserin, lieber Leser!
„Gibt es Hoffnung“, wurde Franz Kafka von seinem Weggefährten Max Brod einst gefragt. „Es gibt unendlich viel Hoffnung“, antwortete Kafka, „aber nicht für uns.“
Dieser Gedanke darf für eine Bildungseinrichtung eine Herausforderung sein, indem sie
das Gute und Hoffnungsvolle mit ihren Angeboten gestaltet. Bildung also im Sinne von Bestärkung, Ermutigung und Begeisterung für das Leben, die Zukunft und die Menschen.
Der Beginn eines neuen Jahres ist für viele Menschen oft mit besonderen Hoffnungen, Emotionen und Ideen verbunden.
Das neue Jahr! 2021.
Neue Zeit für uns alle. Noch unverfügbar, aber hoffnungsvoll. Ob Veränderung, oder Bewahrung, Erneuerung, oder Festhalten gewünscht wird, in jedem Fall ist der Beginn eines neuen Jahres immer ein besonderer Moment in unserem Leben.
Das neue Jahr! 2021.
Da ist jetzt wohl auch mehr Hoffen und Bangen als je zuvor, weil die gesellschaftlichen, sozialen, kulturellen und religiösen Herausforderungen erheblich sind.
2021. Eine reine Weste hat es noch, das junge Jahr mit wenigen Tagen erst.
Es ist gut, dass es nun da ist. Vielleicht wird es uns mehr Fragen, als Antworten schenken. Vielleicht mehr Erforschen, mehr gemeinsam Suchen, als nur Finden wollen, ermöglichen. Vielleicht wird es noch vielmehr „Querlüften“, als „Querdenken“ verursachen.
Wie auch immer.
Auch für uns im Kompetenzzentrum Bildung möge das neue Jahr mit Gottes Gegenwart verbunden sein und so zu einem Jahr der vielfältigen Begegnungen mit Ihnen und vielen anderen interessierten Menschen werden. Unsere pflegefachlichen und diakonischen Bildungsangebote sind sorgfältig vorbereitet und erwarten Sie.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen ein hoffnungsvoll gesegnetes und gelingendes neues Jahr 2021.
Ihr Team vom Kompetenzzentrum Bildung
Gunhild Heidke, Gabriele Kuhnt, Susette Schumann, Tabea Dross, Jennifer Sariökmen und Pfarrer Johannes Lehnert
Fr. 18. Dezember 2020 | Advent, Allgemein, Geistliche Texte
Geistlicher Gruß zum 4. Advent
Maria sprach: Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes; denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder. Lukas 1, 46
Liebe Leserin, lieber Leser,
der 4. Adventssonntag kommt und damit kann die Freude auf das Fest der Christusgeburt in uns weiter wachsen. „Freuet euch! Der Herr ist nahe.“ So ermutigt uns der Wochenspruch.
Von dieser wachsenden Freude berichtet uns auch das Lukasevangelium. Da ist dieses junge jüdische Mädchen aus der gottlosen Gegend von Galiläa. Maria. Fast noch ein Kind. Wahrscheinlich nicht älter als 14 Jahre. Unverheiratet, aber schwanger. Alles spricht gegen die heilige religiöse und gesellschaftliche Ordnung im jüdischen Land. Doch das Mädchen nimmt ihr Schicksal an. Nach dem Erschrecken kommt der Mut. Sie vertraut dem Engel. Die eigentlich Ohnmächtige wird mächtig im Herzen.
In ihrer reinen und jungen Kinderseele formt sich ein unglaubliches Lied: Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes, denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen… Wer solche Lieder singt, der legt ein Bekenntnis ab. Magnifikat. Protestsong. Es ist ein zartes und hartes Lied zugleich. Ein revolutionäres Lied. Es ist klar und deutlich in seiner Aussage. Ein Lied, das von mächtigen und ohnmächtigen Menschen handelt und von Stolz und Demut. Es handelt von der Barmherzigkeit Gottes und der Umverteilung des Reichtums. Ein Lied, das eigentlich nicht unter den Tannenbaum passt.
Das mit der Niedrigkeit kommt uns vielleicht bekannt vor, auch wenn wir es vermutlich nicht so formulieren würden. Wir glauben manchmal, nichts zu sein und nichts zu können. Maria spricht von ihrer Selbsteinschätzung. Sie spricht aus, was viele immer nur empfinden und nie in Worte fassen: Ich kann es nicht und ich will es nicht. Und außerdem traue ich es mir nicht zu. Und die anderen auch nicht. Und helfen tut mir sowieso keiner.
Aber Marias Lied geht weiter: Gott hat die Niedrigkeit seiner Magd gesehen und dann trotzdem große Dinge getan. Maria hat jetzt einen Auftrag, der die Welt verändern wird.
Sie weiß mit einem Mal Dinge von Gott, die sie vorher nicht gewusst hat. Und sie entdeckt Dinge über sich selber, die sie vorher nicht zu glauben gewagt hatte. Sie hat gespürt, dass das alles noch viele Generationen beschäftigen wird. „Es werden mich preisen alle Kindeskinder.“ Fasst schon ein bisschen übermütig, die kleine Maria, oder?
Die eigentlich Mächtigen sind ohnmächtig. Gott kommt gewagt, gewaltig aber nicht gewalttätig. Total anders, als alle es erwartet haben. Er tanzt nicht mit den Mächtigen in Jerusalem oder Rom und spielt nicht ihre Intrigenspiele. Stattdessen stößt er die Mächtigen mit seinen Worten der Liebe vom Thron. Schon durch seine Gegenwart fühlen sich die Herrscher wie Herodes oder Pilatus bedroht.
Und wir? Wir Menschen erheben uns auch leicht über andere, wenn wir der Meinung sind, die anderen haben keine Ahnung. Wir denken nicht selten zu wissen, was das Richtige ist. Wir fühlen uns kompetent in unserem Bereich. Da braucht uns weder Mensch noch Gott rein zu reden. Und dann ist es vielleicht doch nur eine Wasserblase. Maria, die eigentlich Machtlose, formuliert es so: Die, die stolz sind, zerstreut er, bringt sie durcheinander und lässt sie nicht zum Zuge kommen. Gott ist also nicht stumm und untätig in dieser Welt. Aber seine Sprache wird heute nur noch selten gesprochen und sie wird offenbar kaum mehr verstanden. Dabei ist sie doch einfach und klar: Ein Kind, von einer einfachen Frau geboren als friedliche „Kampfansage“ gegen die Mächtigen und Gewalttätigen. So ist Gott in diese Welt gekommen. Ohne die Hilfe schlauer Theologen, ohne Sparbuch und Lebens- und Krankenversicherung, ohne Armee und ohne Besitz. Um es uns noch einmal klar vor Augen zu stellen, was Gott da eigentlich veranstaltet hat: Ein 14 jähriges Mädchen, schwanger, unverheiratet, ohne Bildung, wurde zum Angelpunkt der Weltgeschichte.
Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes 4. Adventswochenende,
Ihr Pfarrer Johannes Lehnert
Fr. 11. Dezember 2020 | Advent, Allgemein, Geistliche Texte
Geistlicher Gruß zum 3. Advent 2020
Liebe Leserinnen, liebe Leser!
Heimlich geht er mit seiner Frau in die Kirche. Ein stickiges kleines Kellerzimmer. Mehr geht nicht. Und auch das ist verboten. Diese Kirche ist eine Untergrundkirche, denn im Iran haben es Christen schwer. Vor allem Muslime, die Christen werden wollen.
Heimlich gehen beide, ein junges Paar, in diese Untergrundkirche in ihrem Stadtteil von Teheran. Sie sind begeistert, dass Gott die Liebe ist – und dass die Menschen einander in Liebe begegnen sollen. Gott und den anderen Menschen auf Augenhöhe begegnen: Das war ihnen absolut neu.
Während eines heimlichen Gemeindetreffens dann ein Anruf der Mutter: „Kommt nicht nach Hause. Bleibt weg. Die Geheimpolizei steht vor der Tür.“ Das junge Paar schläft unter einer Brücke – selbst zu Freunden zu gehen trauen sie sich nicht. Das geht eine Weile so. Immer wieder der warnende Anruf der Mutter: „Kommt bloß nicht zu Eurem Haus. Es wird überwacht.“
Ein schneller Entschluss folgt. Sie gehen über die Grenze in die Türkei. Da sind wir in Sicherheit. Wenn sich die Lage beruhigt, können wir sicher zurückgehen. Einfach ein kurzer Urlaub in Istanbul. Mehr nicht. Die Lage bleibt angespannt. „Mama, wir haben kein Geld mehr. Verkauf unser Auto und zahl das Geld auf mein Konto“, heißt es nach einigen Wochen Zwangsurlaub.
Die Regierung hatte da schon alles beschlagnahmt. Das kleine Haus, das Auto. Eine Heimkehr war nicht mehr möglich. Auf Umwegen gelangt das junge Paar in ein Asylbewerberheim in Deutschland.
Mittlerweile sind sie eine kleine Familie geworden. Mit dem unsicheren Status der Asylbewerber haben sie sich allesamt taufen lassen. Sie haben unter großen Opfern Gott den Weg zu ihren Herzen bereitet.
Der Vater begründete das so: „Das mit der Liebe, das hat uns so sehr überzeugt. Wir wollen Christen sein – egal, ob sie uns abschieben oder nicht.“
Christen auf der Flucht, die heute unter uns sind in Deutschland, in unseren Städten, unseren Dörfern. Fremde Christen, die unsere Sprache lernen und unsere Kultur erkunden.

Szenenwechsel:
Eine große Einkaufsstraße in Europa. Menschen, Schnee und ein Lichtermeer. Auch hier heißt es: „Bereitet dem Herrn den Weg.“ Doch der Herr ist hier nur noch schwache Vorlage für das übliche vorweihnachtliche Kaufrausch-Fest. Die Händler fragen sich besonders in diesem Jahr der Pandemie: Werden wir unseren Jahresumsatz so wie letztes Jahr schaffen? Und der Kunde und die Kundinnen fragen sich wie immer: Was soll ich dieses Jahr nur kaufen? Vielleicht doch alles online bestellen, weil es sicherer ist und es so keine Infektionsgefahr gibt?
Hier, mitten uns, in den großen Metropolen der westlichen Welt, ist jetzt eher Angst vor der Pandemie wie überall, aber ganz sicher keine Angst vor der Geheimpolizei. Hier kannst Du in die Kirche, in die Moschee, in die Synagoge, in den Tempel gehen und niemanden interessiert es.
Gott den Weg zu bereiten, das ist Gottesnähe, denn Gott und Mensch begegnen sich so auf Augenhöhe. Und das geschieht durch den, den wir in diesen Tagen erinnern und dessen Geburtstag wir bald feiern. Der 3. Adventssonntag sagt: Gott kommt dir nahe, wenn Du es willst. Darum bereite dem Herrn den Weg in deinem Herzen. Mächtig kommt er. Mächtig wie ein ohnmächtiges Neugeborenes.
Es grüßt Sie herzlich,
Johannes Lehnert
Fr. 11. Dezember 2020 | Advent, Allgemein, Geistliche Texte
Geistlicher Gruß zum 2. Advent 2020
Liebe Leserin, lieber Leser
Der alte Mann war Millionär. Sein unermesslicher Reichtum bestand aus all seinen Kunstwerken: Gemälde und Skulpturen. Es hätte alles problemlos laufen können, wenn da nicht die Sache mit seinem Sohn gewesen wäre. Dieser war in jungen Jahren tödlich verunglückt. Eine Lücke im Leben des alt gewordenen Vaters. Als der Mann nun gestorben war, hinterließ er ein Testament das besagte, dass der ganze Besitz versteigert werden sollte, da er keine weiteren Erben hatte. Die Händler, Kunstsammler und Millionäre kamen von überall her. Der riesige Auktionsraum war brechend voll, denn alle wollten sich diese Gelegenheit, eines der erlesenen Kunstwerke zu ersteigern, nicht entgehen lassen. Dann sprach der Auktionator folgende Worte: „Ehe die Versteigerung beginnt, wäre da noch eine Bedingung des Verstorbenen, nämlich der erste Satz im Testament.“ Und während er das sagte, nahm er ein Bild des früh verstorbenen Sohnes aus seiner Mappe. „Dieses Bild muss zuerst versteigert werden.“ Natürlich war keiner der Anwesenden an diesem minderwertigen Bild vom Sohn des verstorbenen Millionärs interessiert. Irgendein unbekannter und unbegabter Maler musste es vor Jahren angefertigt haben. Aber Testament ist nun einmal Testament und so beharrte der Auktionator auf seiner Forderung. Niemand im Raum gab ein Angebot ab. Es wurde immer stiller und keiner der Anwesenden sprach ein Wort. Alle warteten, was nun passieren würde. Dann schließlich erhob sich hinten in der Ecke der alte Butler des Millionärs und sagte: „Ich habe den Jungen gekannt, ich möchte das Bild gerne ersteigern.“ Da es keinerlei Konkurrenzangebote gab, erstand er das Bild für ein paar Dollar, also praktisch für nichts. „Damit, meine Damen und Herren“, ließ der Auktionator sich wieder hören, „ist die Versteigerung beendet.“ Ein eisiges Schweigen legte sich über den Raum. „Beendet?“, hörte man eine Stimme, „sie hat doch noch gar nicht richtig angefangen.“ „Meine Damen und Herren“, fuhr der Auktionator fort. „Der zweite Satz im Testament des Verstorbenen lautet: Wer den Sohn hat, hat alles. Große Unruhe brach im Raum aus. Tumultartige Szenen voller Wutausbrüche spielten sich unter den Anwesenden und Kunstkennern ab und alle starrten den alten Butler an. Er hatte die richtige Entscheidung getroffen. Doch die Gelegenheit für alle anderen war endgültig verpasst. Der Satz stand unerschütterlich im Raum: Wer den Sohn hat, hat alles.
Ist das nicht ein wunderbares Beispiel für die Bedeutung der Christgeburt, das Christusfest, für Weihnachten? Gottes Liebe zu uns wird darin aufs Feinste deutlich. Wer den Sohn hat. Der hat alles. Das ist im Prinzip die ganze Weihnachtsbotschaft. Es geht um ein heilsames Leben mit Gott in dieser Welt. Das ist wahres Leben. Jetzt und für die Ewigkeit. Der Glaube an Gott kommt aus der Mitte unseres Seins. Es ist das seelische Zentrum, aus dem heraus wir unser Leben gestalten können. Es führt zum Vertrauen auf die göttliche Kraft in unserem Leben. Wenn wir den Blick auf die gegenwärtigen Zustände in unserer Welt werfen, dann wird klar, diese Mitte darf uns nicht verloren gehen.
Die Corona-Pandemie hat die Menschheit in diesem Jahr quasi eiskalt erwischt, als viele Menschen mehr denn je schwankten in den unendlichen Wünschen nach schneller, höher, weiter und immer mehr von allem. Und das in einem endlichen Leben, das sehr begrenzt, verletzlich und fragil ist, wie wir jetzt erleben können. In der gegenwärtigen Situation unseres Lebens – und dazu mag sicher auch der Advent eine geeignete Zeit sein – kommt bei vielen Menschen die Frage in den Sinn: Was ist wirklich wichtig für mich in meinem Leben?
Als Christinnen und Christen haben wir bereits die Antwort gefunden. Und aus ihr darf für uns alles Tun und Lassen, alles Wollen und Können erwachsen. Jesus Christus ist und bleibt die Antwort auf alles Fragen. Oder anders gesagt: Mach´s wie Gott, werde Mensch.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gesegneten 2. Adventswoche.
Pfarrer Johannes Lehnert
Mo. 30. November 2020 | Advent, Allgemein, Geistliche Texte
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
liebe Freundinnen, liebe Freunde,
das erste Adventswochenende liegt hinter uns allen und wir haben auf unsere je eigene Weise diese Tage gestaltet und erlebt:
Einkaufen. Adventskranz richten. Kerzen entzünden. Tee kochen. Mit den Kindern spielen. Aufräumen. Adventskalender bereitstellen. Was auch immer.
Der 1. Advent ist bereits Geschichte und wir sind jetzt auf dem Weg zum Fest der Geburt Jesu, ob mit, oder ohne Freude, ob mit, oder ohne Hoffnung.
Die Geburt Jesu ist für uns Teil unserer Lebenswirklichkeit, zumindest schon deshalb, weil wir alle am 25. und 26. Dezember nicht arbeiten müssen, sondern Feiertage genießen können, ob mit oder ohne Glaube.
Und in den Kirchen unseres Landes? Dort wurde gestern – wie immer am 1. Adventssonntag – ein Vers aus dem Buch des alttestamentlichen Propheten Sacharja (9,9b) hörbar gemacht: „Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.“
Was sehen Sie in diesen Tagen? Was ist für Sie gerecht? Wer hilft Ihnen? Das sind bleibende Fragen auch in diesem Advent.
Ich wünsche Ihnen eine gelingende Woche, bei der Arbeit, in der Familie, zu Hause…
SEGENSWORTE im ADVENT
Möge Sanftmut sein auf deinen Lippen. Mit deinem Mund entdeckst du die Welt, formst Worte, stellst Fragen und gibst Antworten.
Möge dein Ja ein ja, dein Nein ein Nein sein. Mögest du deine Worte leben.
Möge freundlicher Sinn sich ausbreiten in deinen Augen, mögest du ihre Kraft bewahren, damit sie nicht stumpf und blind werden. Durchstoße die Oberfläche, damit du Sinn und Zusammenhänge in unserem Leben erkennst.
Mögen deine Ohren geöffnet sein für die Stimmen der Menschen,
den Klang der Musik, das Schweigen der Natur, die Stille der Unendlichkeit.
Mögest du in dich hineinhorchen, damit deine innere Stimme nicht verstummt.
Mögest du deinen Weg suchen auf verlässlichen Spuren,
gelegt und erprobt von Menschen, denen du folgen willst.
Mögest du dich auf Menschen einlassen, die mit dir das Ziel des Lebens erreichen wollen.
Möge Gottes Auge für dich schauen.
Möge Gottes Ohr für dich hören.
Möge Gottes Wort für dich sprechen.
Möge Gottes Hand dich schützen in diesem Advent.
Mit herzlichen Grüßen,
Pfarrer Johannes Lehnert