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Geistlicher Gruß zum 4. Advent

Maria sprach: Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes; denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen. Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder. Lukas 1, 46

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

der 4. Adventssonntag kommt und damit kann die Freude auf das Fest der Christusgeburt in uns weiter wachsen. „Freuet euch! Der Herr ist nahe.“ So ermutigt uns der Wochenspruch.

Von dieser wachsenden Freude berichtet uns auch das Lukasevangelium. Da ist dieses junge jüdische Mädchen aus der gottlosen Gegend von Galiläa. Maria. Fast noch ein Kind. Wahrscheinlich nicht älter als 14 Jahre. Unverheiratet, aber schwanger. Alles spricht gegen die heilige religiöse und gesellschaftliche Ordnung im jüdischen Land. Doch das Mädchen nimmt ihr Schicksal an. Nach dem Erschrecken kommt der Mut. Sie vertraut dem Engel. Die eigentlich Ohnmächtige wird mächtig im Herzen.

In ihrer reinen und jungen Kinderseele formt sich ein unglaubliches Lied: Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes, denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen… Wer solche Lieder singt, der legt ein Bekenntnis ab. Magnifikat. Protestsong. Es ist ein zartes und hartes Lied zugleich. Ein revolutionäres Lied. Es ist klar und deutlich in seiner Aussage. Ein Lied, das von mächtigen und ohnmächtigen Menschen handelt und von Stolz und Demut. Es handelt von der Barmherzigkeit Gottes und der Umverteilung des Reichtums. Ein Lied, das eigentlich nicht unter den Tannenbaum passt.

Das mit der Niedrigkeit kommt uns vielleicht bekannt vor, auch wenn wir es vermutlich nicht so formulieren würden. Wir glauben manchmal, nichts zu sein und nichts zu können. Maria spricht von ihrer Selbsteinschätzung. Sie spricht aus, was viele immer nur empfinden und nie in Worte fassen: Ich kann es nicht und ich will es nicht. Und außerdem traue ich es mir nicht zu. Und die anderen auch nicht. Und helfen tut mir sowieso keiner.

Aber Marias Lied geht weiter: Gott hat die Niedrigkeit seiner Magd gesehen und dann trotzdem große Dinge getan. Maria hat jetzt einen Auftrag, der die Welt verändern wird.

Sie weiß mit einem Mal Dinge von Gott, die sie vorher nicht gewusst hat. Und sie entdeckt Dinge über sich selber, die sie vorher nicht zu glauben gewagt hatte. Sie hat gespürt, dass das alles noch viele Generationen beschäftigen wird. „Es werden mich preisen alle Kindeskinder.“ Fasst schon ein bisschen übermütig, die kleine Maria, oder?

Die eigentlich Mächtigen sind ohnmächtig. Gott kommt gewagt, gewaltig aber nicht gewalttätig. Total anders, als alle es erwartet haben. Er tanzt nicht mit den Mächtigen in Jerusalem oder Rom und spielt nicht ihre Intrigenspiele. Stattdessen stößt er die Mächtigen mit seinen Worten der Liebe vom Thron. Schon durch seine Gegenwart fühlen sich die Herrscher wie Herodes oder Pilatus bedroht.

Und wir? Wir Menschen erheben uns auch leicht über andere, wenn wir der Meinung sind, die anderen haben keine Ahnung. Wir denken nicht selten zu wissen, was das Richtige ist. Wir fühlen uns kompetent in unserem Bereich. Da braucht uns weder Mensch noch Gott rein zu reden. Und dann ist es vielleicht doch nur eine Wasserblase. Maria, die eigentlich Machtlose, formuliert es so: Die, die stolz sind, zerstreut er, bringt sie durcheinander und lässt sie nicht zum Zuge kommen. Gott ist also nicht stumm und untätig in dieser Welt.  Aber seine Sprache wird heute nur noch selten gesprochen und sie wird offenbar kaum mehr verstanden. Dabei ist sie doch einfach und klar: Ein Kind, von einer einfachen Frau geboren als friedliche „Kampfansage“ gegen die Mächtigen und Gewalttätigen. So ist Gott in diese Welt gekommen. Ohne die Hilfe schlauer Theologen, ohne Sparbuch und Lebens- und Krankenversicherung, ohne Armee und ohne Besitz. Um es uns noch einmal klar vor Augen zu stellen, was Gott da eigentlich veranstaltet hat: Ein 14 jähriges Mädchen, schwanger, unverheiratet, ohne Bildung, wurde zum Angelpunkt der Weltgeschichte.

Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes 4. Adventswochenende,
Ihr Pfarrer Johannes Lehnert