Geistlicher Gruß zum 3. Advent 2020
Liebe Leserinnen, liebe Leser!
Heimlich geht er mit seiner Frau in die Kirche. Ein stickiges kleines Kellerzimmer. Mehr geht nicht. Und auch das ist verboten. Diese Kirche ist eine Untergrundkirche, denn im Iran haben es Christen schwer. Vor allem Muslime, die Christen werden wollen.
Heimlich gehen beide, ein junges Paar, in diese Untergrundkirche in ihrem Stadtteil von Teheran. Sie sind begeistert, dass Gott die Liebe ist – und dass die Menschen einander in Liebe begegnen sollen. Gott und den anderen Menschen auf Augenhöhe begegnen: Das war ihnen absolut neu.
Während eines heimlichen Gemeindetreffens dann ein Anruf der Mutter: „Kommt nicht nach Hause. Bleibt weg. Die Geheimpolizei steht vor der Tür.“ Das junge Paar schläft unter einer Brücke – selbst zu Freunden zu gehen trauen sie sich nicht. Das geht eine Weile so. Immer wieder der warnende Anruf der Mutter: „Kommt bloß nicht zu Eurem Haus. Es wird überwacht.“
Ein schneller Entschluss folgt. Sie gehen über die Grenze in die Türkei. Da sind wir in Sicherheit. Wenn sich die Lage beruhigt, können wir sicher zurückgehen. Einfach ein kurzer Urlaub in Istanbul. Mehr nicht. Die Lage bleibt angespannt. „Mama, wir haben kein Geld mehr. Verkauf unser Auto und zahl das Geld auf mein Konto“, heißt es nach einigen Wochen Zwangsurlaub.
Die Regierung hatte da schon alles beschlagnahmt. Das kleine Haus, das Auto. Eine Heimkehr war nicht mehr möglich. Auf Umwegen gelangt das junge Paar in ein Asylbewerberheim in Deutschland.
Mittlerweile sind sie eine kleine Familie geworden. Mit dem unsicheren Status der Asylbewerber haben sie sich allesamt taufen lassen. Sie haben unter großen Opfern Gott den Weg zu ihren Herzen bereitet.
Der Vater begründete das so: „Das mit der Liebe, das hat uns so sehr überzeugt. Wir wollen Christen sein – egal, ob sie uns abschieben oder nicht.“
Christen auf der Flucht, die heute unter uns sind in Deutschland, in unseren Städten, unseren Dörfern. Fremde Christen, die unsere Sprache lernen und unsere Kultur erkunden.
Szenenwechsel:
Eine große Einkaufsstraße in Europa. Menschen, Schnee und ein Lichtermeer. Auch hier heißt es: „Bereitet dem Herrn den Weg.“ Doch der Herr ist hier nur noch schwache Vorlage für das übliche vorweihnachtliche Kaufrausch-Fest. Die Händler fragen sich besonders in diesem Jahr der Pandemie: Werden wir unseren Jahresumsatz so wie letztes Jahr schaffen? Und der Kunde und die Kundinnen fragen sich wie immer: Was soll ich dieses Jahr nur kaufen? Vielleicht doch alles online bestellen, weil es sicherer ist und es so keine Infektionsgefahr gibt?
Hier, mitten uns, in den großen Metropolen der westlichen Welt, ist jetzt eher Angst vor der Pandemie wie überall, aber ganz sicher keine Angst vor der Geheimpolizei. Hier kannst Du in die Kirche, in die Moschee, in die Synagoge, in den Tempel gehen und niemanden interessiert es.
Gott den Weg zu bereiten, das ist Gottesnähe, denn Gott und Mensch begegnen sich so auf Augenhöhe. Und das geschieht durch den, den wir in diesen Tagen erinnern und dessen Geburtstag wir bald feiern. Der 3. Adventssonntag sagt: Gott kommt dir nahe, wenn Du es willst. Darum bereite dem Herrn den Weg in deinem Herzen. Mächtig kommt er. Mächtig wie ein ohnmächtiges Neugeborenes.
Es grüßt Sie herzlich,
Johannes Lehnert